Was ist Schmuck? München

Da durfte ich dieses Jahr wieder die Schmuckwochen und die Internationale Handwerksmesse in München besuchen.
https://www.ihm-handwerk-design.com/messe/highlights/schmuck/
https://www.munichjewelleryweek.com/

Es hat mir mal wieder meinen kreativen Raum erweitert und den Kopf ordentlich durchgepustet. Ich bin bereichert Heim gekommen – wie ihr vielleicht an der Länge des heutigen Textes sehen könnt.
Ich habe Arbeiten gesehen, die alles was man sich an Schmuck vorstellen kann in Frage stellen.
Hier verlässt der Schmuck die Bühne des dekorativen Anhängsels, des Niedlichen und Schönen und manchmal auch des Tragbaren. Hier wird Schmuck zur Kritik an Ökologie, Politik und Gesellschaft. Das Statussymbol Schmuck, was einzig und allein Werte, Reichtum etc ausdrückt, sucht man hier vergeblich und/oder wird eher auf die Schüppe genommen.
Natürlich geht es auch um den Ausdruck eines Status, einer Zughörigkeit zu einer Gruppe – halt nur nicht die, die wir bei Schmuck erwarten. Viele Arbeiten bereits anerkannter Stücke landen irgendwann in Vitrinen von Sammlern. Manche der Newcomer werden vielleicht den Durchbruch schaffen – internationale Galeristen und Sammler checken hier die Lage. Viele der jungen Schmuckstudenten und -Absolventen, die sich hier präsentieren, werden aber auch leider schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. Bei aller Schönheit, Faszination und allem Staunen ist mir klar wie hart dieses Geschäft ist. Aber alle kommen einmal im Jahr hier in München zusammen und es ist ein großes Fest. Die Stadt atmet Schmuck.
Hier findet man Schmuck aus gebrauchten Verhütungsspiralen oder in eine Form gepresste Viagrapillen.
Ja, es ist mehr als Schmuck – vieles ist wohl eher Kunst.
Da sehe ich goldene Uhren ohne Zifferblatt und stelle mir Fragen wie uns die Zeit heute antreibt und diktiert und ob es nicht eher ein Luxus ist ohne diese Zeitmesser auskommen zu können. Goldene Kolliers mit schwarzem Schweröl überzogen, was die Kleidung der Trägerin beschmutzen wird.
Da sehe ich Bernsteinschnipsel mit Kunststoff verpresst in Form eines Schnitzels oder Fischstäbchens als Brosche. Zunächst einmal sehr witzig, aber im nächsten Moment bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Ist das der Schmuck der heutigen Zeit? Bilder unserer Massentierhaltung blitzen in mir auf. Ist es vom Künstler als Witz oder Zeitkritik gemeint? Ich weiß es nicht.
Da stellen sich 120 Künstler aus China und dem Westen die Frage, wie man das angebliche Gewicht der Seele gestalterisch darstellen kann. 120 beeindruckende Interpretationen.
https://www.hwk-muenchen.de/artikel/internationale-schmuckausstellung-21-grams-74,0,9256.html

Nun habe ich voller Bewunderung viele mutige internationale Künstler sehen dürfen, die sich über Form, Größe, Gewicht, Erwartungshaltungen von Schönheit, Material und Wert hinwegsetzen.
Zurück in Dortmund frage ich mich wie groß MEIN Mut ist, wie intensiv meine Konzentration, mein Wille, diesen Freiraum in meinem Kopf zu schützen, zu bewahren und mit meiner Sprache und meinen eigenen Themen zu füllen.
Es ist und bleibt ein Spagat.
Da stehe ich nun wieder vor den ganz normalen alltäglichen Aufgaben, die auch wichtig sind und erledigt werden wollen.  Da sind dann auch schnell wieder die eigenen verinnerlichten Barrieren, die es zu überwinden gilt.
„Dafür hast du keine Zeit. Mach lieber was Vernüftiges.“
„Benutze lieber edle Materialien.“
„Benutze lieber „frisches, unbehaftetes Gold.“
„Das ist zu groß, zu schwer – wer soll das tragen?“
„Das nutzt sich doch ab. Nimm lieber ein Material für die Ewigeit. Das wollen deine Kunden.“

Aber geht es uns nicht allen so? Gilt es nicht immer, uns den Raum für das was uns antreibt und wichtig ist zu nehmen und all die inneren Hindernisse und Ablenkungen zu überwinden? Keine kann hinterher behaupten: ich habe es nicht getan, weil ich nicht die richtigen Bedingungen hatte, weil mich andere davon abgehalten haben oder oder oder …

Also – aufi geht’s!

Das Foto hier unten ist übrigens im Haus der Kunst entstanden.
Wer in nächster Zeit in München sein sollte, sollte diese atemberaubende Ausstellung unbedingt besuchen.
https://hausderkunst.de/ausstellungen/elanatsui

 

Eine Antwort

  1. Schon wieder ein sehr schöner Beitrag von Dir. Du gehst in Deinem Text so respektvoll mit den jungen Schmuckstudentinnen – Studenten um, siehst ihre Werke offen, ja bewundernd. Bleibst dabei objektiv und weißt, wie schwer es ist, auf diesem sehr umworbenen Markt Fuß zu fassen und sich zu behaupten. Und dass dann Fragen, vielleicht gar Zweifel an Deinem Tun aufkommen, spricht für Deine Offenheit. Ich habe Deine Arbeiten seit Deiner Zeit in Dortmund verfolgen dürfen und habe den Wandel in Form und Materialien bewundert. Deine Vorbereitung zum diesjährigen Staatspreis zeigt das wieder sehr deutlich. Ich sehe auch, wie Du Dich von den alltäglichen Notwendigkeiten, sprich Einkünfte für die Absicherung Deiner Existenz, nicht davon beirren lässt, doch immer wieder neue Wege zu gehen. Die Idee des jetzigen Projekts, die Leere zu füllen, rührt mich, nicht nur aus persönlichen Gründen, sehr an. Mach weiter so.

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