Archäologie der Erinnerung

Ein Haufen alter Trauringe liegt vor mir. Ich habe sie bei einem Goldankäufer erworben. Ein kleiner Teil stammt auch von Kunden. Ein edler Alltagsgegenstand, der biografisch aufgeladen ist und Geschichten erahnen lässt. Ein Zeuge vergangenen Lebens. Immer schon habe ich Spuren vergangenen Lebens gesucht und so fühlt sich dieses Projekt mehr als stimmig für mich an. Ich stehe ehrfürchtig vor 22 Ringen, denen ich neues Leben einhauchen möchte. Mich interessieren die Gravuren – bei den meisten kann man von Handgravuren ausgehen. Die älteste Gravur stammt von 1924, die jüngste von 1993. Was ist wohl aus den Paaren geworden? Warum haben die letzten Besitzer diese abgegeben, verkauft? Brauchten sie das Geld oder hatten sie keinen Bezug zu den Ringen? Bei dem Ring jüngeren Datums kann aber auch der Tod des Ehepartners oder eine Trennung zu Grunde liegen. Wir werden es nie erfahren.
In gewisser Weise habe ich sie vor dem Einschmelzen der totalen Anonymisierung bewahrt. Was bleibt und was wird, das werden wir sehen.

2 Antworten

  1. Ich hatte den Aufruf von Andrea schon fast vergessen, als mir beim Aufräumen der Ehering meines verstorbenen Vaters in die Hände fiel. Bevor ich ihn Andrea gab, fragte ich meine Mutter ob sie damit einverstanden sei. Sie war total erfreut über die Aktion und ist genauso gespannt wie ich, was aus dem Ehering wird.
    Drücke Dir Andrea ganz fest die Daumen für den Gewinn des Staatspreises.
    Lieben Gruß

    Martin

    1. Lieber Martin, ich habe mich sehr über den Trauring, den du mir gebracht hast und das Hochzeitsfoto Deiner Eltern gefreut. Auf dem Foto kann man den Ring an der Hand Deines Vaters sogar sehen. Und nun liegt er bei mir auf dem Tisch. Ich werde mir sehr gut überlegen, was ich damit mache. Der Ring fühlt sich anders an als einer vom Goldankauf. Neben der Gavur und dem Hochzeitsdatum weiß ich nun wie das Paar dahinter aussah, ich weiß, dass Dein Vater leider bereits verstorben ist. Ich kenne dich Ihren Sohn. Auch wir haben unsere Geschichte und ich freue mich sehr, dass dieses Projekt uns nach langer Funktstille wieder etwas näher zusammen geführt hat. Man sollte ein Buch schreiben aus der Sicht eines Trauringes. Das wäre bestimmt witzig. Liebe Grüße vom fantastischen Werktisch Andrea

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